Gestaltung politischer Transparenz: Vorbild USA

Autor: Christoph Bruch

Sehr geehrte Damen und Herren,

diese Tagung ist Teil der Diskussion um die sogenannte Informationsgesellschaft.

Informationen sind keine Erfindung der jüngsten Zeit. Neu ist lediglich die Technik, die Informationen in Weisen handhabbar macht, wie es früher nicht möglich war. Die Aufmerksamkeit für das Schlagwort Informationsgesellschaft ist primär von der Hoffnung getragen, die neuen Informationstechniken könnten einen Motor für unsere erlahmende Konjunktur darstellen. Die Errichtung der notwendigen Infrastruktur und darauf folgend die Nutzung dieser Infrastruktur für die Vermarktung neuer Produkte soll die gewünschten Arbeitsplätze und Gewinne erbringen.

Für die Informationsgesellschaft wird jedoch nicht nur mit Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum geworben. Die Informationsgesellschaft soll uns auch freier und unsere Gesellschaft demokratischer machen. Ein Aufsatz von Rainer Rilling zum Thema Cyberdemokratie beginnt mit dem Satz:

"Im Internet ist man frei. Es gibt keine Zensur, keine Diktatur und keine Filter. Jeder kann tun und lassen was er will. Keine Kontrolle mehr, keine Hierarchie, kein Gesetz. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Demokratie, der Hyperdemocracy, einem neuen athenischen Zeitalter der Demokratie."

Er fährt fort:

"Solche oder ähnliche Sätze haben wir alle schon gehört. Diesen speziellen Satz allerdings mit Sicherheit nicht. Er ist frei erfunden - komponiert aus Wörtern von Al Gore, Newt Gingrich, der Time, Hilmar Kopper und dem Sommerprospekt 1995 der Telekomwerbeagentur 1 & 1."

In dem Artikel versucht Rainer Rilling darzulegen, daß das Versprechen der Cyberdemokratie bisher nicht eingelöst wurde.

Ich widme mich in meinem Vortrag einem Aspekt von Demokratie, der aus meiner Sicht durch elektronische Kommunikation besser verwirklicht werden kann, als dies bisher der Fall ist.

Es geht mir um Transparenz des politischen Systemes am Beispiel der Gestaltung des Akteneinsichtrechtes und des öffentlichen Publikationswesens.

Diese Problematik möchte ich heute mit Ihnen durch einen Vergleich der Regelung des Zuganges zu Regierungsinformationen in den USA mit der Situation in der BRD erörtern. Darüber hinaus möchte ich Ihnen grundsätzliche Überlegungen vorstellen, mit welche der Anspruch auf Regierungsinformationen begründet bzw. beschränknt werden können.

An diese Themenstellung knüpft sich unmittelbar die Frage: Was sind Regierungsinformationen? Im augenblicklichen Zusammenhang meine ich damit alle Informationen, welche sich im Besitz öffentlicher Institutionen bzw. ganz oder teilweise öffentlich finanzierter Organisationen befinden.

Demokratie und Transparenz sind unmittelbar miteinander verknüpft. Das Verhalten bei Abstimmungen und selbstverständlich alles weitere politische Engagement werden grundsätzlich durch unsere Informiertheit über die Aktivitäten unseres Regierungssystemes - sprich unserer Politiker und Beamten - beeinflußt.

Jede Regierungsstelle, die einen Konsens mit den Bürgern herstellen will, muß sicherstellen, daß die Bürgern sich frei über die Tätigkeit der Regierungsstelle informieren können.

Diese Informiertheit ist Teil der notwendigen informationellen Grundversorgung. Das moderne Demokratieverständnis basiert auf der Abstimmungsgleichheit der Bürger und Bürgerinnen. Analog hierzu müssen die BürgerInnen in den Stand versetzt werden, kostenfrei oder kostengünstig einen bestimmten Grad der Informiertheit erreichen zu können.

Die Beschäftigung mit dem Akteneinsichtrecht erscheint Ihnen in diesem Zusammenhang vielleicht zunächst sehr abstrakt und fern unseres alltäglichen Lebens. Durch einige Beispiele wird indes deutlich, daß der Zugang zu Regierungsinformationen auch für sogenannte normale Bürger oft eine große Rolle spielt.

Stellen Sie sich vor, Sie möchten wissen,
           wieso ein von Ihnen gestellter Antrag nicht genehmigt wurde,
           welche Werte der Luftverschmutzung an ihrem Wohnort gemessen werden,
           wieso ihre Straße keine Spielstraße ist,
           wie über die Vergabe der Lottogelder entschieden wird,
           wie sich die Höhe ihrer Müllgebühr erklärt oder
           welche Daten über Sie bei verschiedenen Behörden gespeichert sind, etc.

Außerdem ist es wichtig, sich bewußt zu machen, daß wir Informationsrechte oft indirekt nutzen. Viele Informationen, die durch die Medien an uns weitergegeben werden, konnten durch die Journalisten aufgrund deren besonderen informationsrechtlichen Stellung beschafft werden. Ein anderes Beispiel sind Informationen, von welchen wir als Resultat der Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse erfahren. Hier profitieren wir von Informationsrechten des Parlamentes.

Viele Informationen sind jedoch nur direkt bei den einzelnen Stellen des Regierungssystemes zu erhalten. Ob als BügerIn oder als AngeorneteR in einem Parlament - der Zugang zu Informationen im Besitz des Regierungssystemes ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Möglichkeit, den Entscheidungsprozeß zu verfolgen, zu verstehen und mitzugestalten.

Neben Informationsansprüchen, die sich aus einer individuellen Situation ergeben, stellt sich die Frage, auf welche Informationen die Bürger eines Staates Zugang haben sollten, um ihre demokratischen Rechte auf Kontrolle der Regierung und Mitwirkung an der politischen Willensbildung wahrnehmen zu können.

Bevor ich auf die konkrete rechtliche Situation in den USA und hier in Deutschland eingehe, möchte ich Ihnen einige grundsätzliche Überlegungen zu dieser Frage, "In welchem Verhältnis stehen Demokratie und Akteneinsichtrecht?" vortragen.

Zunächst möchte ich Ihnen Argumente zur Legitimation von Informationsansprüchen vorstellen.

Die Forderung eines Rechtes auf Akteneinsicht ist Teil der zwei grundsätzlicheren Diskussionen um die Machtverteilung innerhalb eines Staates und um die Bestimmung der Leistungsansprüche der Bürger an ihre Regierung.

Im ersten Fall sollen die Informationen der politischen Teilhabe dienen. Informationen, die so eingesetzt werden sollen, bezeichne ich deshalb hier als politisches Gut.

Im zweiten Fall sollen staatliche Informationen in unpolitischen Zusammenhängen genutzt werden. Informationen die so eingesetzt werden sollen bezeichne ich als unpolitisches Gut.

Die Einordnung von Informationen in eine der beiden Kategorien, wird nicht von der Information selbst bestimmt, sondern ist anhängig von der angestrebten Nutzung der Information.

Die erste Sichtweise, die Regelung der Akteneinsicht sei Teil der Diskussion der Machtverteilung innerhalb eines Staates, basiert auf der Annahme, die Kontrolle von Information sei ein bedeutender Machtfaktor in politischen Auseinandersetzungen.

Geheimhaltung bzw. die Regelung der Akteneinsicht sind bei dieser Sichtweise nur ein Aspekt der Kontrolle von Information. Hinzu treten alle weitern Maßnahmen zur Kontrolle von Informationsflüssen, von Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Propaganda.

Die für die politische Teilnahme - sprich den Machtkampf - nachgefragten Informationen lassen sich in zwei Bereiche einteilen.

Informationen zum Verständnis von Realität und
Informationen über die Aktivitäten innerhalb der Regierung bzw. des politischen Establishments (Regierungsgeheimnisse / Entscheidungsprozesse).

[Informationen zum Verständnis von Realität]

Informationen über die Realität können "politisch" und "unpolitisch" genutzt werden. Sie sind Voraussetzungen für das Erkennen von Handlungsbedarf. Sie dienen der Beurteilung der Reaktion der Regierung auf die erkannten Probleme und dem Entwurf eigener Lösungsvorschläge. Sie bilden, allgemein betrachtet, die Grundlage für Programme, durch welche die Wähler gewonnen werden sollen. Wichtig für die hier verfolgte Argumentation ist der Einsatz von Informationen über Realität für die Manipulation von Entscheidungen.

Ein Beispiel ist die 1964 vom amerikanischen Kongreß verabschiedete Golf von Tongking Resolution. Gegenüber dem Kongreß behauptete die Johnson Administration, ein amerikanisches Kriegsschiff sei im Golf von Tongking von einem nordvietnamesischen Schiff mit einem Torpedo beschossen, aber nicht getroffen worden. Die Beurteilung der Sachlage basierte ausschließlich von Aussagen von Angehörigen des Militärs. Die von der Johnson Administration bewerkstelligte Inszenierung diente als Mittel, im Kongreß die Verabschiedung der gleichnamigen Resolution durchzusetzen. Durch sie wurde Präsident Johnson mit umfangreichen Vollmachten für die Führung des Vietnamkrieges ausgestattet. 1967 kam ans Licht, daß die dem Kongreß präsentierte Resolution Monate vor dem angeblichen Vorfall verfaßt worden war.

Neben prominenten Fällen, in welchen durch Lügen oder Propaganda Entscheidungen beeinflußt wurden, wird auch der parlamentarische Alltag stark durch Informationen, welche die Exekutive dem Parlament präsentiert, beeinflußt. Viel Gesetze werden als Reaktion auf von der Administration durchgeführte Untersuchungen verabschiedet. Die Generierung dieser Informationen und ihre Verbreitung oder Geheimhaltung wirkten sich so politisch entscheidend aus.

Der sogenannte Plutoniumschmuggel von Moskau nach München wurde beispielsweise als Argumentationshilfe für die Durchsetzung des großen Lauschangriffes inszeniert.

Neben der Fälschung von Informationen und der Propagierung bestimmter Informationen spielt die Geheimhaltung hier eine große Rolle. Im augenblicklichen Zusammenhang meine ich "illegitime" Geheimhaltung, also solche, die nicht wirklich dem Schutz der nationalen Sicherheit, sondern der Sicherung politischer Interessen dient. Der Iran-Kontra Skandal ist solch ein Fall. Ein Beispiel für die deutschen Verhältnisse sind die Behinderungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu der bereits angesprochenen Plutonium-Affäre oder die Unterdrückung durch die englische Regierung von Untersuchungsergebnisse zur Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen.

Informationen können nicht nur durch Geheimhaltung unterdrückt werden. Unliebsame Informationen gar nicht erst zu generieren, ist eine verbreitete Praxis, die Perzeption von Realität zu formen. Trotz jahrelanger Proteste wurde erst kürzlich eine große Studie zur Häufung von Fällen leukemiekranker Kindern in der Gegend um das AKW Krümmel in Auftrag gegeben.

Ich habe gerade geschildert, wie Informationen über die Realität politisch genutzt werden können. Jetzt möchte ich auf die politische Nutzung von Informationen über die Aktivitäten des Regierungssystemes eingehen.

Mit der Umschreibung Informationen über die Aktivitäten innerhalb der Regierung bzw. des politischen Establishments sind Informationen gemeint, welche dem Verständnis des politischen Entscheidungsprozesses dienen und im politischen Machtkampf eingesetzt werden sollen. Transparenz in diesem Bereich soll zunächst die Tätigkeit der Regierung entzaubern und so die Bürgern zur Teilname am politischen Prozeß ermutigen. Im zweiten Schritt ergänzen sie die Informationen über die Realität und sind für die politisch Aktiven in der Auseinandersetzung mit ihren Rivalen wichtig.

Die Forderung nach der Durchschaubarkeit der Regierungsgeschäfte fußt auf der prinzipielleren Proklamationen eines Rechtes auf Teilhabe an der politischen Macht, sprich Demokratie. Teilhabe an der politischen Macht ist hier gleichbedeutend mit Kontrolle der Regierung. An die Vorstellung einer bestimmten Ausprägung von Demokratie ist daher ein korrespondierendes Maß für den notwendigen Fluß von Informationen zwischen Bürgern und Regierung geknüpft.

Wird das Ideal in einer repräsentativen Demokratie gesehen, in welcher eine klare Arbeitsteilung zwischen der Masse der Bürger und einer relativ kleinen Kaste von Politikern vorherrscht, beschränkt sich die politische Aktivität der meisten Bürger auf die Teilnahme an Wahlen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Advokaten dieses Ideales relativ wenig Informationen als ausreichend für eine informierte Wahlentscheidung halten.

Starke politische Aktivität der Bürger, unter Umständen verbunden mit einer entsprechend starken Nutzung des aktiven Wahlrechtes, wird im Zusammenhang mit den sogenannten Neuen sozialen Bewegungen unter den Schlagwörtern direkte Demokratie und Basisdemokratie diskutiert. Die Propagierung von Formen direkter Demokratie im Zusammenspiel mit der Betonung rationaler Entscheidungen impliziert die Forderung nach einem Höchstmaß an Transparenz. Hier liegt der Vergleich mit dem aus volkswirtschaftlichen Modellen bekannten Begriff Markttransparenz nahe. In den entsprechenden ökonomischen Modellen wird eine vollständige Informiertheit der Handelnden paradigmatisch unterstellt. Verfechter dieses Demokratieverständnisses werden für möglichst freie Informationsflüsse zwischen Bürgern und dem Regierungssystem argumentieren.

Eine "herrschende Meinung" zu der Frage, welche Informationen durch den Verweis auf ein demokratisches Regierungssystem beansprucht werden können, gibt es nicht.

Die Frage nach der Förderung von Demokratie durch Transparenz wendet sich leicht in die Frage nach der Gefährdung der Demokratie durch Geheimhaltung. Ein Übermaß an Geheimhaltung kann zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der Regierung und zu einer Entfremdung zwischen den normalen Bürgern und den Machtträgern führen. Solch ein Prozeß kann auch innerhalb des Regierungssystemes ablaufen, wenn Teile des Systemes isoliert werden. In den USA kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu solch einer Entwicklung. Watergate markiert den Höhepunkt dieser "Glaubwürdigkeitslücke" (credibiliity gap).

Nachdem ich Ihnen Überlegungen geschildert habe, die den Anspruch auf Zugang zu Regierungsinformationen grundsätzlich als Recht der politischen Teilhabe legitimieren, komme ich jetzt zu Überlegungen, die den Anspruch auf Zugang zu Regierungsinformationen mit "unpolitischen" Gründen reklamieren, d.h. die Regierungsinformationen als staatliche Dinstleistung fordern.

Mit dem Wachstum der Regierungsapparate ging eine Zunahme des Wissens im Besitz der Regierungen einher. Dieses Wissen kann im alltäglichen Leben oder für den Erfolg der privaten Wirtschaft große Bedeutung haben. Die berühmte Teflon-Pfanne oder staatliche Wettervorhersagen sind Beispiele für solche Informationen. Zur Untermauerung der Forderung nach Zugang oder Verbreitung dieser Informationen werden zwei Argumenten vorgebracht. Erstens, die Regierung habe eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Bürgern. Zweitens, die Regierung finanziere sich und damit auch die Sammlung von Informationen aus den Steuern der Bürger. Diese Zahlungen begründeten eine Art zivilrechtlichen Anspruch, bestimmte Informationen zu erhalten.

Zur begrifflichen Klärung verweise ich darauf, daß es sich hier um Informationen zum Verständnis der Realität handelt. Solche Informationen spielen, wie oben angesprochen, im politischen Prozeß eine große Rolle. Das jetzt thematisierte Argument schließt diese Nutzung indes gerade aus!

Ein weiteres Argument ist die These, Transparenz der Regierungsgeschäfte fördere eine effektive Arbeitsweise der Verwaltung bzw. unterbinde Korruption und Schlendrian.

Bereits während der Gründungsphase der USA wurde der demokratietheoretische Legitimation eines Anspruches auf Zugang zu Regierungsinformationen durch die Hoffnung ergänzt, die Unterrichtung der Bürger über die Arbeit ihrer Verwaltung führe zu deren Effektivierung bzw. verhindere Korruption.

Ein frühes konkretes Beispiel für die Hoffnung, durch Publizität Fehlentwicklungen verhindern zu können, liefert Thomas Jefferson. Er setzte die Veröffentlichung der Höhe der Gehälter der öffentlichen Angestellten durch. Diese Maßnahme sollte eine übermäßige Ausdehnung der Verwaltung verhindern.

Diese Überlegung schlug sich auch in der Urteilsbegründung in einem Rechtsstreit um die Radio-Übertragung einer Sitzung eines Gemeinderates nieder. In dem Urteil heißt es:

"Eine aufgeklärte lokale Bürgerschaft ist der beste Schutz gegen äußere Ansinnen von Unterdrückung und gegen die staatliche und kommunale Korruption die in diesem Land aufgedeckt wurde. Je mehr Licht auf die öffentlichen Angelegenheiten geworfen werden kann, desto besser wird unser Staat durch die dafür bestimmten und gewählten Beamten geführt werden."

Ein weiterer Punkt, der in der Diskussion um Regierungsinformationen oft vergessen wird, ist die Regelung von Informationsansprüchen zwischen den Bürgern eines Staates.

Besonders im Kontext der Umweltbewegung sind Organisationen entstanden, die Zugang zu Informationen über die Aktivitäten von Unternehmen beanspruchen. Diese Forderung ist klar politisch, auch wenn die Regierung nur als vermittelnde Instanz auftritt. Dies beinhaltet auch den parlamentarischen Beschluß privater Ansprüche auf solche Informationen. Die entsprechenden Gesetze werden in den Parlamenten beschlossen, dies verweist auf die wirkliche Verantwortung für eine Regelung dieser Informationsflüsse. In den meisten Fällen bestehen keine direkten Informationsansprüche zwischen privaten Personen. In der Regel werden beispielsweise Unternhemen verpflichtet, bestimmte Informationen an Aufsichtsbehörden zu geben. Diese müssen die Informationen dann zugänglich machen.

Bisher habe ich Ihnen Argumente geschildert, welche aus der Position von Informationssuchenden einen Anspruch begründen können. Unausgesprochen wurde in diesen Fällen unterstellt, die Stellen, welche die Informationen besitzen, wollten diese nicht zur Verfügung stellen. Entweder, weil sie einem Machtverlust befürchten oder weil die Bereitstellung Kosten verursacht. Es gibt jedoch auch Überlegungen, welche das Bereitstellen von Informationen auch aus der Sicht der Regierung lohnend macht.

Ist von dem Interesse von Machtträgern die Rede, bestimmte Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, kann dies leicht als umständliche Formulierung für Öffentlichkeitsarbeit, Propaganda oder news management mißverstanden werden. Hier soll jedoch nicht die Nutzung von Informationen als Mittel zu Ausübung von Macht thematisiert werden, vielmehr möchte ich an dieser Stelle auf die Bedeutung von Informationsflüssen für das Funktionieren von Systemen bzw. Organisationen hinweisen. Untersuchungen über Probleme in Entscheidungsprozessen, die sich aus einem schlechten Fluß von Informationen ergeben, gibt es in großer Zahl.

Meine Aufmerksamkeit gilt hier dem Interesse, das Machtträger an der Weitergabe von Informationen haben, um die Funktion ihres Macht- bzw. Herrschaftsapparates sicherzustellen oder zu verbessern. In einem Rechtsstaat steht das Interesse an der Bekanntmachung der Gesetze an erster Stelle. Sie ist Voraussetzung für die Beachtung des geltenden Rechtes. Dem steht durchaus das Interesse der Bürger gegenüber nicht mit der Regierung in Konflikt zu geraten und kompetent Widerspruch gegen Handlungen der Regierung geltend zu machen.

Gerade habe ich auf die Annahme hingewiesen, Transparenz verhindere Korruption. Der Schwerpunkt dieses Argumentes lag auf der Verhinderung von Nachteilen, die den Bürgern aus einer korrupten oder einfach schlecht arbeitenden Verwaltung erwachsen können. Das Interesse, schlechte Organisation der Arbeit oder Korruption zu unterbinden, kann jedoch auch im Interesse der Machtträger liegen. Dies ist nicht nur der Fall, wenn sie innerhalb einer Demokratie von der Zustimmung der Bürger abhängig sind. Transparenz kann ihnen in diesen Fällen helfen, ihre Aufgaben besser zu erfüllen und so die Wahrscheinlichkeit ihrer Wiederwahl zu erhöhen.
Selbst wenn diese Abhängigkeit nicht gegeben ist, kann der Leitung einer Organisation regelmäßig unterstellt werden, ein Interesse an deren guten Funktionieren zu haben. Die mögliche Leistung der Bürger besteht hier nicht nur darin, den Mitarbeitern des Regierungssystemes auf die Finger zu schauen, darüber hinaus können sie eigenes Wissen und Erfahrungen einbringen.

Das Vertrauen in die Weisheit der einfachen Leute ist typisch für die politische Kultur der USA.

Das sich aus dieser Argumentation ergebende Interesse an Transparenz wird jedoch in dem Maß relativiert, wie ihm ein konkurrierendes Interesse an Geheimhaltung gegenübersteht. Diese Relativierung ist die Überleitung zum nächsten Abschnitt:

Argumente für die Begrenzung von Informationsansprüchen bzw. zur Legitimation von Geheimhaltung

Aus der oben angesprochenen Verknüpfung von Demokratiekonzepten mit bestimmten informationspolitischen Vorstellungen läßt sich kein grundsätzliches Argument für die Begrenzung des Informationsflusses von der Regierung ableiten. Theoretisch kann jede Information als Grundlage für eine Wahlentscheidung definiert werden. Wahlen oder Abstimmungen sind Wesensmerkmale von Demokratien. Sie können deshalb nicht sinnvoll weg definiert werden.

Werden Informationen mit einer unpolitischen Begründung - d.h. als Gegenleistung für Steuern und Gehorsam - verlangt, muß geprüft werden ob die Bereitstellung der Information zum Leistungsspektrum der Regierung gehört. Ist dies nicht so, braucht die Information nicht geliefert zu werden. Auch in diesem Fall ist jedoch vorstellbar, das Leistungsspektrum der Regierung sehr weit zu definieren.

Für die Regierung leichter und naheliegender ist es deshalb, Informationsverweigerungen mit Verweisen auf den Schutz schwerwiegenderer anderer Werte zu legitimieren. In der Regel sind dies der Schutz der Privatsphäre oder sicherheitspolitische Interessen. Letztere reichen von der sogenannten nationalen Sicherheit bis in alltägliche Bereiche wie polizeiliche Ermittlungsakten.

Ein weiteres Argument ist die Gewährleistung offener Entscheidungsprozesse innerhalb der Regierung. Es kann sich hier auch um den Schutz der Privatsphäre der am Entscheidungsprozeß beteiligten Personen handeln. Im Zentrum des Argumentes steht jedoch das potentielle Ergebnis eines Entscheidungsprozesses. Die offene Diskussion einer Problemlösung kann durch Öffentlichkeit entscheidend behindert werden.

Neben der Gewährleistung offener Diskussion innerhalb von Entscheidungsprozesses wird zur Legitimation von Geheimhaltung auch angeführt, sie erleichtere das Finden von Kompromissen. Die am Entscheidungsprozeß beteiligten Personen stünden bei geheimen Entscheidungsprozessen weniger stark unter dem Druck, Stellungnahmen abzugeben, die primär ihre Klientel ansprechen und bei der Aufgabe von Positionen werde die Problematik des Gesichtsverlustes minimiert.

Nur selten wird in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit des Schutzes der am Entscheidungsprozeß Beteiligten vor politischer Verfolgung angeführt. Im England des 17. Jahrhunderts wurde das crown privilege mit Verweisen auf den Schutz der Personen, welche am Entscheidungsprozeß beteiligt waren, legitimiert. Sie sollten in Zeiten politischer Umbrüche nicht gerichtlicher Verfolgung durch ihre Nachfolger ausgesetzt sein. Dies ist im Hinblick auf die Verfolgung von DDR Unrecht eine interessante Überlegung.

Ich gehe im folgnden etwas spezifischer auf die Diskussion in den US ein, weil dort das Verhältnis des Akteneinsichtrechtes zu der in der Verfassung verankerten Meinungs- und Pressefreiehit diskutiert wurde. Da Meinungs- und Pressefreiheit auch in der deutschen Verfassung garantiert werden, halte ich die Argumente aus der amerikansichen Diskussion auch in der BRD für wichtig.

Die amerikanische Diskussion um Informationsrechte der Bürger der USA

Die Bedeutung von Informationsflüssen wurde in den USA früh erkannt. Eine Motivation für den Aufbau des Postwesens war es, die verstreut lebenden Siedler an die Regierung zu binden. Mit dem Wissen um die Bedeutung von Informationsströmen ging die Auseinandersetzung um deren Kontrolle einher. Bereits in den Anfängen der Republik wurde deshalb um die Kontrolle der Postwesens gestritten. Eng an diese Problematik ist die Diskussion der anstrebenswerten Transparenz des Regierungssystemes geknüpft. Diese Diskussion läßt sich bis in die Anfänge der kolonialen Besiedlung zurückverfolgen. Die Verfassung der USA und die frühen Verfassungen der Bundesstaaten wurden auf Grundlage der englischen Common Law und der "revolutionären Erfahrungen" erarbeitet. Die an sich oppositionellen Philosophien erkannten beide die Bedeutung der Pressefreiheit an.

Pressefreiheit und Akteneinsichtrecht sind eng miteinander verbunden. Zensur und anderen Einschränkungen der Pressefreiheit ist das Ziel gemeinsam, regierungskritische Berichterstattung zu unterbinden. Berichterstattung über die Regierung, ob kritisch oder zustimmend, ist auf Informationen über die Tätigkeit der Regierung angewiesen. Einsicht in die Akten der Regierung ist eine zentrale Quelle für solche Informationen. Gleichzeitig ist die Pressefreiheit zentral für die Verbreitung von Informationen. Sollen durch Akteneinsicht gewonnene Informationen eine große Öffentlichkeit erhalten, wird der Wert einer Akteneinsicht wesentlich durch die Möglichkeit bestimmt, die gewonnen Information zu verbreiten.

Die Regelung des Zuganges der Bürger zu Informationen über die Tätigkeit ihres Regierungssystemes wurde in den USA bei der Diskussion des Verfassungsentwurfes und noch früher thematisiert. Dabei war die Vorstellung fest verankert, die Bürger der Kolonien bzw. USA hätten ein Recht die Tätigkeit ihrer Regierung bzw. Verwaltung zu kontrollieren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Auseinandersetzung um das Akteneinsichtrecht eng an die Frage geknüpft, ob der Meinungs- und Pressefreiheit garantierende erste Zusatz zur Verfassung ein solches Akteneinsichtrecht, beinhaltet. Akteneinsichtrecht wird in dem Zusatz nicht erwähnt. Diese Frage wird von einigen der angesehensten Juristen der USA bejaht. Ihre Argumentation besagt, eine sich selbst regierende Gesellschaft brauche ein einklagbares Recht, die Amtsführung ihrer Regierung zu untersuchen. Diese Recht dürfe nur in besonderen Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Im Zusatz zur Verfassung ist dieses Recht nicht explizit formuliert, es sei aber von den Verfassungsvätern implizit mitbedacht worden.

Eine Interessante Anmerkung zum Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit in den USA und damit auch für die Frage der Erweiterung dieser Garantie auf ein Akteneinsichtrecht ist die Diskussion um die Funktion der öffentlichen Meinung.

Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg provozierte in den USA Proteste von Isolationisten und Pazifisten. Sie warben gegen den Kauf von Kriegsanleihen und gegen das freiwillige Melden zum Kriegsdienst. Diese Aktivitäten waren strafrechtlich nicht leicht zu verfolgen, weil sie sich durch die Tatbestände im Espionage Act nicht fassen ließen. 1918 wurde der Espionage Act deshalb durch ein Amendement ergänzt, welches die genannten Aktivitäten strafbar machte. Das Amendement wurde 1921 wieder zurückgezogen. Spannend an dieser Episode ist die Diskussion um das Verhältnis des Espionage Act bzw. seiner Amendierung zum ersten Zusatz zur Verfassung.

Die Protagonisten der Einschränkung der Redefreiheit bezeichneten diese als ein individuelles Interesse. Die Verteidiger der Redefreiheit betonten das gesellschaftliche Interesse an freier Diskussion. Die Unterscheidung ist wichtig für die Frage nach der Garantie eines Akteneinsichtrechtes durch das erste Amendement. Die Verknüpfung von Meinungs- und Pressefreiheit mit einem Akteneinsichtrecht erscheint besonders sinnvoll, wenn die von der Regierung extrahierten Informationen in eine öffentliche Diskussion einfließen können der wiederum eine "staatstragende" Funktion zugestanden wird.

Werden Meinungsfreiheit, öffentliche Diskussion und Akteneinsichtrecht hingegen als rein individuelle Interessen bewertet, die leicht in Opposition zum Allgemeinwohl treten können, sind sie weit weniger schützenswert.

Ein weiteres grundsätzliches Problem bei der Übertragung der Tradition von Presse- und Meinungsfreiheit auf das Akteneinsichtrecht ist die Rolle der Regierung. Es gibt Situationen, in welchen die Regierung Maßnahmen ergreifen muß, um die Presse- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten, z.B. beim Schutz von Demonstranten.

Diese Fälle kennzeichnen jedoch nicht die zentrale Stoßrichtung des ersten Amendements. Es soll die Bürger vor allem vor Übergriffen durch die Regierung schützen, der Schutz vor den Mitbürgern kommt erst an zweiter Stelle. Insofern ist Passivität eine zentrale Tugend, wenn die Regierung die Presse- und Meinungsfreiheit nicht gefährden will. Die Gewährleistung eines Akteneinsichtrecht hingegen verlangt von der Regierung Aktivität und verursacht Kosten.

Erst wenn umfangreiche organisatorische Voraussetzungen bestehen, kann ein Akteneinsichtrecht mit Leben erfüllt werden. Daß die amerikanischenVerfassungsväter sich nicht zu diesen organisatorischen Maßnahmen äußerten, schränkt die Überzeugungskraft des Argumentes, die Verfassungsväter hätten mit dem ersten Amendement ein Akteneinsichtrecht impliziert, ein.

Die Vereinigung der amerikanischen Bibliothekarinnen und Bibliothekare hat die komplizierten Überlegungen zur Legitimation von Informationsrechten auf die griffige Formel gebracht:

"Information is the currency of democracy - Information ist die Währung der Demokratie"

Zur Verdeutlichung der vielfältigen Problematiken, die sich bei der konkreten Regelung des Zuganges zu Regierungsinformationen stellen, ist es hilfreich sich zunächst das weite Spektrum an Institutionen und Organisationen vor Augen zu führen, von welchen hier die Rede ist.

Die drei Regierungsgewalten sind unabhängig voneinander und haben deshalb eigene Regeln für den Zugang zu ihren Informationen entwickelt. Diese horizontale Aufgliederung wird durch die vertikale Achse ergänzt, denn auch die Regierungsgewalten der Bundesstaaten, der Kreise und der Kommunen haben eigene Regelungen für den Zugang zu ihren Informationen. Darüber hinaus gibt es unabhängige öffentliche Institutionen wie beispielsweise nationale Stiftungen oder öffentlich finanzierte Einrichtungen wie Schulen und Universitäten. Ein weiterer umfangreicher Bereich sind privatrechtliche Organisationen, die teilweise oder vollständig von öffentlichen Aufträgen leben. Hierzu zählt beispielsweise ein großer Teil der Forschung.

All diese Parlamente, Ministerien, Behörden, Parteien, Stiftungen etc. erzeugen und sammeln Informationen. Die Regierung bzw. der Staat wird deshalb oft als größter Informationserzeuger bezeichnet.

Die Informationen, um die es mir geht, sind genauso vielfältig, wie die Tätigkeitsbereiche dieser Organisationen. Ein großer Teil der Informationen sind praktischer Natur, beispielsweise

statistische Daten zum Wachstum der Bevölkerung oder der Qualität unserer Umwelt
technische Normen oder
Informationen zur Qualität von Lebensmitteln usw.

Diese Informationen werden oft von den Organisationen, die sie produzieren oder erheben auch veröffentlicht. Zu großen Teilen richten diese Veröffentlichungen sich nicht an die allgemeine Öffentlichkeit, sondern an spezielle Gruppen. Ein Paradebeispiel sind Verordnungen, die die Produktion verschiedenster Güter regeln. Die Existenz dieser Verordnungen bleibt uns meist verborgen. Ihr Vorhandensein wird erst bei Auseinandersetzungen, wie jüngst um die EG-Grenzwerte für die Belastbarkeit unseres Trinkwassers offensichtlich.

Diese "veröffentlichten" Informationen sind grundsätzlich zugänglich.

Viele Informationen werden jedoch nicht veröffentlicht. Gerade diese Informationen sind im politischen Prozeß oft sehr wichtig.

Ein besonders schockierendes Beispiel für Geheimhaltung sind Informationen zum Fall von Srebrenica am 11. Juli 1995.

Nach Berichten niederländischer Medien schlossen die UNO-Truppen auf Geheiß von Präsident Chirac mehr als einem Monat vor dem Fall der Stadt mit dem serbischen Kriegsverbrecher Mladic eine Vereinbarung, Luftangriffe gegen die serbischen Truppen einzustellen. Im Gegenzug wurden von den Serben 200 Gefangene UNO-Soldaten freigelassen. Diese Entscheidung wäre öffentlich nicht vertretbar gewesen.

Welche Informationsrechte haben Bürger der BRD gegenüber der Verwaltung?

In der BRD gibt es, anders als beispielsweise in Schweden oder in den USA, kein allgemeines Recht auf Akteneinsicht, das sich von der verfassungsmäßigen Stellung der Bürger als Souverän ableitet. Der Zugang zu Informationen bei staatlichen Stellen wird in einer großen Zahl von Rechtsvorschriften unsystematisch und begrifflich uneinheitlich geregelt.

Am Anfang stehen Geheimhaltungsvorschriften

Alle Bestimmungen zu Einsichtrechten oder Öffentlichkeit stellen Ausnahmeregelungen zur generell für die deutsche Verwaltung geltenden Geheimhaltung dar. Das Beamtenrecht verpflichtet die Beamten zur Amtsverschwiegenheit und das VwVfG (§30) sichert allen Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens die Geheimhaltung ihrer Daten zu.

Das sich hieraus ergebende Amtsgeheimnis umfaßt neben Informationen, die der staatlichen Stelle von Dritten geliefert werden, die Tätigkeit der Stelle selbst und die dort generierten Informationen.

Darüber hinaus existieren weitere besondere Geheimhaltungsvorschriften, die teilweise auch die Weitergabe von Informationen zwischen verschiedenen staatlichen Stellen untersagen. Typische Beispiele sind das Steuergeheimnis, das Sozialgeheimnis oder das Datengeheimnis. Wohlgemerkt, bestimmte dieser Vorschriften würden wir nicht missen wollen.

Ich komme zu den Informationsrechten.

In der BRD existiert - wie bereits gesagt - kein allgemeines Zugangsrecht zu Informationen bei staatlichen Stellen. Was meint dann die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Informationsfreiheit?

Dort steht "Jeder hat das Recht ... sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten." Dieses Grundrecht muß als Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates verstanden werden. Eben nicht erfaßt werden von dieser Vorschrift allgemein nicht zugängliche Quellen. Als allgemein zugänglich gelten dem Bundesverfassungsgericht Quellen, die bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen. Dies trifft in der Regel für die Erzeugnisse der Medien nicht aber für Informationen im Besitz staatlicher Stellen zu.

Bei der Betrachtung der Öffentlichkeit von Regierungsinformationen muß - wie bereits erwähnt - beachtet werden, daß die Öffentlichkeit in den drei Regierungsgewalten sehr unterschiedlich geregelt ist. Der Öffentlichkeit von Parlamentssitzungen und Gerichtsverhandlungen steht z.B. keine entsprechende Öffentlichkeit der Verwaltungsverfahren gegenüber.

Angemerkt sei, die Öffentlichkeit der Arbeit des Bundestages ist mitnichten umfassend. Generell öffentlich sind nur die Plenarsitzungen. Bei den Ausschußsitzungen stellt die Öffentlichkeit die Ausnahme der Regel dar. Anhörungen bilden solche Ausnahmen.

Die Öffentlichkeit der Rechtsprechung findet ihre Grenzen z.B. beim Schutz von Persönlichkeitsrechten der am Verfahren Beteiligten wie dem Schutz der Privatsphäre oder dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Der Verwaltung gegenüber besteht für die einfachen Bürger abgesehen von speziellen Regelungen wie z.B. für das Handelsregister kein Anspruch auf Zugang zu Informationen. Das VwVfG billigt nur Personen, die an Verwaltungsverfahren beteiligt sind, Akteneinsicht zu. Dies wird als Parteiöffentlichkeit bezeichnet. Diese Bestimmung wird durch zusätzliche Vorschriften noch weiter beschränkt. Die Einsicht kann verweigert werden, wenn

die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt wird
das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würden, oder
Vorgänge nach dem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheimgehalten werden müssen.

Weitere Einschränkungen ergeben sich aus der Definition des Begriffes Akte, da vom Akteneinsichtrecht nur offizielle Akten betroffen sind.

Privilegiert beim Zugang zu Informationen der Verwaltung sind Journalisten. In den Landespressegesetzen (§ 4) werden die Journalisten berechtigt, bei Behörden Auskünfte einzuholen.

Fazit ist, sind Sie nicht persönlich Teil eines Verwaltungsverfahrens, haben Sie grundsätzlich keine Informationsrechte gegenüber der Verwaltung. Ausgehend von dieser allgemeinen Geheimhaltung werden Ausnahmen gemacht.

Die Praxis in Staaten mit anderer demokratischer Tradition zeigen, daß diese Behandlung der Bürger nicht Voraussetzung für eine funktionierende Verwaltung ist.

Dies illustriert die Regelung der Verwaltungsöffentlichkeit in Schweden.

In Schweden wurde bereits 1766 ein allgemeines Recht auf Akteneinsicht in die Verfassung aufgenommen. Die zentrale Stelle lautet:

"§ 1. Zur Förderung eines freien Meinungsaustausches und einer allseitigen Orientierung ist jeder schwedische Staatsbürger zur Einsichtnahme in offizielle Akten befugt.

§ 2. Das Recht auf Einsichtnahme in offizielle Akten darf nur dann beschränkt werden, wenn dies erforderlich ist aus Rücksicht auf: [Es folgen 7 Ausnahmen]

1.die Sicherheit des Reiches oder auf dessen Verhältnis zu einer fremden Macht oder zwischenstaatlichen Organisation,
2.die zentrale Finanz- und Währungspolitik
3.die Tätigkeit der Behörde zu Inspektion, Kontrolle oder anderer Aufsicht,
4.das Interesse an der Vorbeugung und Verfolgung von Verbrechen,
5.das wirtschaftliche Interesse der Allgemeinheit
6.den Schutz der berechtigten persönlichen oder finanziellen Verhältnisse des einzelnen,
7.das Interesse an der Bewahrung von Tier- und Pflanzenwelt.

[Weitere] Beschränkung[en sind in Sondergesetzen angegeben].

Ein weiteres Beispiel sind die USA.

1946 wurde dort das erste VwVfG verabschiedet. In modifizierter Form ist es bis heute gültig. Sektion 3 des Gesetzes kodifizierte das erste Mal eine explizite Anerkennung eines Rechtes der Bürger auf Akteneinsicht und schaffte damit die Rechtsgrundlage für Klagen gegen die Verweigerung der Akteneinsicht.

Wie in der BRD wird Akteneinsichtrecht nicht ausschließlich im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt. Abhängig davon, welche Behörde eine Information besitzt und um welche Information es sich handelt, werden die Bestimmungen im VwVfG ergänzt.

Die 1946 in den USA geschaffene Rechtslage war ähnlich der aktuellen Situation in der BRD. Es bestand grundsätzlich nur eine Parteiöffentlichkeit.

Ein Rechtsanspruch auf die Herausgabe von Informationen bestand für von einem Verwaltungsverfahren betroffene Parteien, außer eine der folgenden Bedingungen traf zu:

a)Information mußten nicht herausgegeben werden, wenn

die Geheimhaltung im öffentlichen Interesse der USA lag oder
die Informationen die Behörde nur intern betrafen.

b)Entscheidungen von Behörden konnten geheim gehalten werden, wenn gute Gründe dafür sprachen und es sich nicht um Präzedenzentscheidungen handelte.

c)Auch die Parteiöffentlichkeit wurde beschränkt, wenn

die Dokumente durch andere Gesetze von der Einsicht ausgeschlossen waren, oder
die Informationen aus guten Gründen als vertraulich behandelt wurden.

Die letzte Klausel -Geheimhaltung aus guten Gründen - ermöglichte der Verwaltung im Zweifelsfalle fast jegliche Akteneinsicht zu unterbinden. Dies entspricht nicht der aktuellen Situation in der BRD. Zusammen mit der sonst geltenden Parteiöffentlichkeit war es der Verwaltung leicht möglich, Personen die Akteneinsicht zu verweigern, welche Akteneinsicht z.B. zu wissenschaftlichen, journalistischen oder politischen Zwecken suchten. Anders als heute in der BRD gelten in den USA keine besonderen Informationsrechte für Journalisten.

1966 wurden die Bestimmungen zum Akteneinsichtrecht innerhalb des Verwaltungsverfahrensgesetzes novelliert. Diese Novellierung wurde auch über die Grenzen der USA hinaus als FOIA bekannt.

Durch den FOIA wurde die Parteiöffentlichkeit durch eine allgemeine Öffentlichkeit ersetzt. Jetzt sind alle Dokumente der Verwaltung grundsätzlich öffentlich. Der FOIA öffnet die Akten nicht nur allen Bürgern der USA, sondern jedem - auch Ihnen!

Im FOIA werden ausgehend vom Prinzip der allgemeinen Öffentlichkeit 9 Ausnahmen formuliert. Informationen, welche unter die dort genannten Kategorien fallen, brauchen nicht, können aber veröffentlicht werden.

1.Informationen, welche die nationale Sicherheit und die Außenpolitik betreffen
2.verwaltungsinterne Personalangelegenheiten
3.Informationen, die durch andere Gesetze von der Öffentlichkeit ausgeschlossen sind
4.Geschäftsgeheimnisse und finanzielle Geheimnisse, welche die Bürger der Verwaltung mitteilen müssen
5.Verwaltungsinterne Kommunikation und Vorschriften
6.Personal- und Krankenakten, deren Veröffentlichung die Privatsphäre verletzen
7.Ermittlungsakten, soweit sie nicht aufgrund anderer Gesetze zugänglich gemacht werden müssen
8.Informationen zur Regulation von Finanzinstitutionen
9.Geologische und geophysische Daten und Daten, die Quellen betreffen

Gegen Informationsverweigerungen kann geklagt werden.

Im Herbst diese Jahres wurde der FOIA novelliert. Durch die Novellierung wird die Verwaltung verpflichtet, mehr Informationen elektronisch zugänglich zu machen.

Der FOIA betrifft ausschließlich die Bundesverwaltung der USA. Der Ausstrahlung dieses Gesetzes konnten sich jedoch andere öffentliche Bereiche nicht entziehen. In vielen Fällen waren sie der Bundesverwaltung sogar voraus. Akteneinsichtrechte vergleichbar dem FOIA wurden auf bundesstaatlicher Ebene bereits vor dem FOIA verabschiedet. Das Akteneinsichtrecht wurde seit den 60er und 70er Jahren durch weitere Gesetze ergänzt, welche die Öffentlichkeit von Gremien regeln.

Mein Lob gilt dem im FOIA verankerten demokratischen Prinzip. Es macht einen großen Unterschied, ob die Akten der Verwaltung als grundsätzlich öffentlich oder geheim gelten. Theoretisch können jedoch von beiden Prinzipen Ausnahmen formuliert werden, welche schließlich die gleichen Informationen zugänglich machen bzw. geheimhalten. Dieser Hinweis ist besonders wichtig, weil die Umsetzung des FOIA durch die Bundesverwaltung in vielen Fällen nur sehr zögerlich geschieht.

Die Verankerung des angesprochen demokratischen Prinzips stellt deshalb nur den Anfang einer Kette von Bedingungen dar, die erfüllt werden müssen, um ein bürgerfreundliches Akteneinsichtrecht zu verwirklichen. Neben der Frage, welche Informationen bzw. Akten auf Antrag herausgegeben werden müssen, stellt sich die Frage, unter welchen Umständen diese Informationen zugänglich gemacht werden.

Können sie nur vor Ort in einem Lesesaal der Behörde eingesehen werden.
Dürfen sie kopiert werden?
Werden auf Anforderung Kopien zugeschickt?
Sind sie elektronisch zugänglich?
Innerhalb welcher Zeitrahmen müssen Informationen bereitgestellt werden?
Welche Kosten darf die Behörde für die Bereitstellung der Informationen in Rechnung stellen? etc.

Das FBI mißachtet die im FOIA gesetzten Zeitrahmen für die Bearbeitung der Anfragen besonders vehement. Zunächst werden die Anträge in kleine und große Angrafen unterschieden. Anfragen als deren Ergebnis mehr als 100 Seiten Daten erwartet werden, gelten als große Anfragen. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für große Anfragen beträgt 7½ Jahre! Zum Glück werden die kleinen Anfragen schneller bearbeitet, Hier erhalten die Antragsteller bereits nach knapp 3 Jahren Bearbeitungszeit die Resultate.

Dieser Realität gegenüber macht der FOIA, der eine Bearbeitung innerhalb von 20 Tagen fordert, eine lächerliche Figur. Die Praxis des FBI ist nicht repräsentativ für alle Bundesbehörden. Das Beispiel verdeutlicht jedoch, daß ein fortschrittliches Akteneinsichtrecht auch durchgesetzt werden muß. Fehlt der politische Wille, die Behörden zu Einhaltung der Vorschriften zu zwingen, bleiben die Bürger hilflos zurück.

Die Beispiele Schwedens und der USA zeigen, daß der Zugang zu Informationen der Verwaltung demokratischer geregelt werden kann, als dies in der BRD der Fall ist. Vergleichbare Regelungen gelten darüber hinaus in Australien, Kanada, Neuseeland, Frankreich, Norwegen, Dänemark und Holland.

Aus den vorgetragen Überlegungen leite ich die folgenden Forderungen ab:

Es gibt für die Bundesregierung keine Legitimation, das Akteneinsichtrecht in Deutschland nicht ähnlich demokratisch zu gestalten, wie die gerade genannten Staaten. Wir Bürger sind der politische Souverän und finanzieren mit unseren Steuern den Apparat, der die Informationen generiert.

Politische Transparenz bedarf jedoch nicht nur einer Neugestaltung des Akteneinsichtrechtes. Individuelle Antragstellung als Voraussetzung für die Bereitstellung von Informationen ist als Regelfall zu aufwendig. Diese Überzeugung setzt sich auch in den USA durch.

Die Parlamente dort reagierten auf das Verlangen nach Transparenz nicht nur mit einer Öffnung ihrer Sitzungen für die Öffentlichkeit, sondern sie publizieren viele der im Gesetzgebungsprozeß anfallenden Dokumente. Heute werden viele laufend anfallenden Dokumente auch elektronisch publiziert. Auch die Exekutive ist mit ihren Behörden auf dem WWW präsent und macht dort viele Informationen zugänglich. Dieser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Zur Zeit wird z.B. im Kongreß darüber verhandelt mehr eigene Dokumente, die bisher nur in gedruckter Form zugänglich sind, auch elektronisch zugänglich zu machen. Von einem entsprechendem Beschluß versprechen sich besonders NGOs eine gleichberechtigtere Teilnahme am Entscheidungsprozeß im Kongreß.

Mit der Verbreitung des Internet wird die Frage nach der Zugänglichkeit von Regierungsinformationen durch einen Aspekt bereichert. Elektronisches Publizieren ermöglicht eine Kommunikation zwischen der Verwaltung und den Bürgern, wie sie bisher kaum möglich war.

Die Qualität oder die Geschwindigkeit der Veröffentlichung von bestimmten Informationen durch Behörden ist oft so schlecht, unübersichtlich und verzögert, daß Verlage sich zwischen Behörde und Fachpublikum schalten und die Informationen, oft in aufbereiteter Form, verkaufen. Praktisch betrachtet sind vieler dieser Informationen für die normalen BürgerInnen nicht erreichbar, weil das Suchen der Quellen zu aufwendig ist oder weil die privaten Veröffentlichungen zu teuer sind.

Wenn Gesetze und Verordnungen über private Dienste wesentlich schneller und besser zugänglich sind als über öffentliche Stellen, wird die informationelle Gleichberechtigung tangiert.

Die elektronische Datenverarbeitung bietet Lösungsansätze für diese Problematik an. Würden Behörden ihre Informationen über Server elektronisch zugänglich machen, wäre der Zugang für eine interessierte Öffentlichkeit kostengünstig und gleichberechtigter als jetzt zu realisieren. In den USA wird dies mehr und mehr praktiziert.

Neben der Regelung des Anrechtes auf bisher geheimgehaltene Informationen stellt sich deshalb jetzt die Frage wie die Verwaltungen die Möglichkeiten des elektronischen Publizierens nutzen, um ihre bisherigen Defizite in der Publikation zu kompensieren.

Ein Beispiel aus den USA illustriert, was elektronische Kommunikation für die Bereitstellung von Regierungsinformationen bedeuten kann. Ein Mitarbeiter einer Landesbehörde hat die Kosten kalkuliert, die seiner Behörde für die Bereitstellung von Informationen entstehen.

In dem Beispiel geht es um die Versendung eines Auszuges aus einer Datenbank. die Datei hatte einen Umfang von 9 MB. Ausgedruckt in 7-Punkt Courier (noch lesbar) waren dies 380 Seiten.

Die Bereitstellung dieser Informationen kostete ohne die Arbeitszeit $118. Diese Summe setzt sich aus dem verbrauchten Toner, den Kosten für Papier und Verpackung und dem Porto (Büchersendung) für die Versendung zusammen.

Was kostet die Bereitstellung der selben Daten in elektronischem Format?

Zunächst wurden die Daten mit einem Shareware Packer auf 1,43 MB komprimiert. Damit paßten sie auf eine Diskette. Diese Diskette konnte als Standardbrief versandt werden. Kosten insgesamt $1,06.

Es geht noch billiger. Auf einem alten AT Computer installierte der Mitarbeiter ein Shareware Mailbox-Programm. Diese Mailbox zu betreiben kostet die Behörde täglich 23 Cents für Strom. Die Kosten für das Abrufen der Daten tragen die Bürger.

98% der Bürger, die Informationen von der Behörde wollten, entschieden sich für die Nutzung der Mailbox, weil für sie die schnelle Bereitstellung der Daten entscheidend war.

Bis zu diesem Punkt verdeutlicht das Beispiel, daß die elektronische Bereitstellung von Daten unschlagbar preiswert und ohne großen Aufwand zu realisieren ist.

Die Geschichte ist jedoch noch nicht an ihrem Ende. Die von Behörden für die Bereitstellung von Informationen erhobenen Preise sind oft umstritten. Da die Behörden gehalten sind, nur die ihnen entstehenden Kosten von den Antragstellern zu verlangen, müsse diese Kosten auf nachvollziehbarem Weg ermittelt werden.

Was kostet es Kosten zu ermitteln?

Der Mitarbeiter der Behörde schätzte den Aufwand in seiner Behörde und er befrage Kollegen in zwei weiteren Behörden. Die geschätzten Kosten für die Ermittlung der Kosten betrugen zwischen 13,5 und 14,4 Dollar. Daraus folgt, daß es bei sich elektronischer Bereitstellung der Information nicht lohnt Gebühren zu erheben, da die Ermittlungskosten höher sind als die Bereitstellungskosten. Diese Rechnung wird noch verschärft, weil die erhobenen Gebühren in diesem Beispiel nicht der Behörde sondern der Landeskasse gutgeschrieben wurden.

Ein wichtiges Beispiel für die Nutzbarkeit von elektronischen Zugängen zu Regierungsinformationen ist das Toxic Release Inventory. Die amerikanische Umweltbehörde, das EPA führt dieses Giftkataster seit 10 Jahren. Die EPA verwaltet die Daten der Industrie und macht sie kostenlos zugänglich - gedruckt und elektronisch. In der BRD werden lediglich alle vier Jahre vergleichbare Daten vom Umweltbundesamt erhoben. Wichtig für die Nutzbarkeit der Daten ist ihre Aufarbeitung. In England werden durch die NGO Friends of the Earth Teile der von der Umweltbehörde herausgegeben Daten aufbereitet, um sie besser Nutzbar zu machen. Sie sind auch über das www erhältlich (http://www.foe.co.uk/cri). In Deutschland sind die entsprechenden Daten nicht zugänglich.

In vielen Staaten haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die sich dem Ideal Informationsfreiheit verpflichtet fühlen. Bezogen auf das Internet bedeutet dies in der Praxis zumeist Opposition gegen Zensur, Argumentation für einen möglichst kostengünstigen Zugang zum Internet und Argumentationen für eine Netzstruktur, die neben dem Empfangen von Informationen ein gleichberechtigtes Senden von allen an alle ermöglicht. Aber auch die Forderung nach Zugang zu den Informationen der Regierung wird zunehmend lauter gestellt.

Der aktuellste Erfolg der amerikanischen FOI Gemeinde beim Kampf um den Zugang zu Regierungsinformationen wurde im Herbst erzielt. Die Flite Datenbank mit den Supreme Court Entscheidungen von 1937 bis 75 wurde zugänglich gemacht.

Ein positives Beispiel in Deutschland ist "büne e.V." das Bürgernetz in Münster. Dort wird die Nutzung des Internet zur Förderung demokratischer Partizipation angestrebt. In ihrer Selbstdarstellung schreiben die Macher:

"Ein Bürgernetz taugt [...], um die demokratischen Abläufe innerhalb der kommunalen Gemeinschaft zu verbessern [...]. Ein kommunales Datennetz schafft einen neuen öffentlichen Raum für politische Diskussion. Der [...] Bürger kann sich an eine Vielzahl von [...] Mitbürgern wenden, ohne etwa eine Demonstration organisieren zu müssen oder einer redaktionellen Kontrolle zu unterliegen. Die Datenkommunikation ermöglicht es der Regierung, schnell, umfassend und zu geringen Kosten Kontakt mit den Bürgern oder Teilen der Verwaltung aufzunehmen und erleichtert Bürgergruppen die Lobbyarbeit. Bürger können sich über das Netz direkt an ihre Repräsentanten wenden. Schließlich läßt sich ein Bürgernetz auch nutzen, um plebiszitäre Elemente zu verwirklichen. Die Möglichkeiten reichen dabei von Meinungsumfragen bis zum electronic voting [...]."

Ein anderes Projekt mit Demokratie fördernden Charakter ist das Juristisches Internetprojekt Saarbrücken Es stellt u. a. Pressemitteilungen der obersten deutschen Bundesgerichte sowie Gesetze und andere Rechtsnormen kostenfrei zur Verfügung.

In Berlin soll im Stadtteil Prenzlauer Berg das Prenzlnet entstehen. Die Initiative wurde hier am Freitag vorgestellt. Auch dort ist politische Transparenz in Form von elektronischem Publizieren ein Anliegen. Die Verwaltung des Bezirks soll mit dem Prenzlnet verbunden werden. Meine Hoffnung ist, dem Bezirk ein neues Forum zu geben, innerhalb dessen Kommunalpolitik konkret nachvollziehbar wird. Es können beispielsweise Protokolle von Sitzungen der Bezirksverodneten und Ergebnisse namentlicher Abstimmungen publiziert werden. Die Bürger sollen wissen, wer für und wer gegen die Einrichtung einer Spielstraße votiert hat, wer der Kita die Mittel kürzt und der Finanzierung einer Informationsfahrt der Abgeordneten zur Partnergemeinde zustimmt.

Der Ausbau elektronischer Kommunikation wirft jedoch auch Probleme auf.

In dem Maße, in welchem Regierungsinformationen elektronisch zu Verfügung gestellt werden und möglicherweise gleichzeitig gedruckte Veröffentlichungen eingestellt werden, ergibt sich eine neue Spaltung der Gesellschaft, in den Kreis der Personen, welche das Angebot der elektronischen Publikationen nutzen bzw. nicht nutzen können.

Die Forderung nach elektronischer Bereitstellung von Informationen muß daher ergänzt werden. Eine durchschnittliche Nutzung des Internet darf nur geringe Kosten verursachen.

Der Wettbewerb der Telefongesellschaften muß deshalb so beeinflußt werden, daß Ortsgespräche zu einem Pauschaltarif abgerechnet werden.

Voller Internetzugang muß ohne den Einkauf der Angebote von kommerziell ausgerichteten Contentprovidern zu erhalten sein.

Die Angebote der öffentlichen Institutionen müssen technisch so aufgebaut sein, daß sie nicht nur mit der teuren neuesten Hardware vollständig zu nutzen sind.

Institutionen wie beispielsweise Bibliotheken müssen Internetterminals zur Verfügung stellen und bei der Nutzung Unterstützung anbieten. Die Nutzung der Terminals für die politische Partizipation muß kostenfrei sein.

Diese Forderungen haben auch Auswirkungen auf die zur Zeit viel diskutierte Verwaltungsreform. Die demokratische Gestaltung des Akteneinsichtrechtes und das elektronische Publizieren von Regierungsinformationen funktionieren dann besonders gut und kostengünstig, wenn die Richtlinien für die Verwaltung der Akten bzw. Dateien darauf ausgelegt sind, daß diese über Indizes von außen zugänglich zu sein. Diese Erfahrung mußte auch die amerikanische Verwaltung machen. Informationen, die man nicht findet, weil der Aufbau das eigenen Archivs schlecht gestaltet ist, können nur schwer publiziert oder bei Anfragen zur Verfügung gestellt werden.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch Informationen, die nicht direkt in einer Verwaltung vorhanden sind, nicht außer Acht zu lassen. Im Zuge von Verwaltungsreformen, wird angestrebt, bisher hoheitlich ausgeführte Aufgaben, privaten Unternehmen zu übertragen. Dies soll Kosten sparen. Solche Übertragungen bergen die Gefahr, der Regierung zuzurechnende Handlungen der politischen Kontrolle zu entziehen. Soweit private Unternehmen für die öffentliche Hand tätig werden, müssen die entsprechenden Akten durch das Akteneinsichtrecht erfaßt werden.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der notorischen Geldnot in den öffentlich Haushalten. Verzweifelt werden neue Geldquellen gesucht. Dabei kann es für eine Behörde verlockend sein, Informationen an Unternehmen zu verkaufen, welche diese vermarkten. Diese Praxis ist nicht grundsätzlich neu. Die elektronische Datenverarbeitung eröffnet jedoch neue Geschäftsmöglichkeiten. Dies kann dazu führen, daß Informationen, die bisher kostenfrei oder kostengünstig erhältlich waren, plötzlich teuer eingekauft werden müssen. Es muß daher darauf geachtet werden, daß die Vermarktung von Informationen durch Regierungsstellen dort unterbunden wird, wo dies dazu führen würde, politische Partizipation von der Größe des Geldbeutels abhängig zu machen.

Es gibst viel zu tun. Melden Sie sich bei Ihren Abgordneten!

 

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